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Emily in Paris – Klischee oder Realität?

Emily in Paris – Klischee oder Realität?

Emily in Paris, Beitragsbild

Paris, Mode, Sex & Charme: 4 Schlagwörter, die die neue Kult-Serie “Emily in Paris” (seit dem 2. Oktober 2020 auf Netflix zu sehen) gut beschreiben. Die Idee zur Serie hatte der Produzent und Regisseur Darren Star, der für „Sex and the City“ & “Beverly Hills 90210”  bekannt ist. Auch die ikonische Kostümbildnerin Patricia Field (von „Sex and the City„) hat mitgearbeitet.

Darren Starr, Patricia Field, Paris & Mode – das muss doch GROßARTIG werden! Oder ist es doch zu viel des Guten?

Darum geht’s in der Serie: Emily (Lily Collins) – eine junge, modebegeisterte & ambitionierte Social Media-Expertin aus Chicago –  wird für einen Job nach Paris versetzt. Dort soll sie eine traditionelle Marketingagentur mit innovativen Social-Media-Strategien beraten. Emily stellt jedoch schnell fest, dass ihr Tatendrang bei ihren Pariser Kollegen überhaupt nicht gut ankommt. Während sie also an ihrem neuen Arbeitsplatz um Erfolg und Anerkennung kämpft, sucht sie in Paris nach der Liebe & gerät nicht selten in Konflikt mit der französischen Kultur.

Emily macht ein Selfie am Fenster
© Courtesy Netflix

Als Wahlpariserin musste ich die Serie einfach sehen & war sehr amüsiert. Wieso? Tja, eine (sehr) flache Handlung und überspitzte (Paris-) Klischees dominieren die Serie. Wen wundert es, dass neben Lobeshymnen auch Shitstorm en masse folgte. Nicht wenige Zuschauer haben auf Twitter ihren Frust abgelassen:  “Französinnen und Franzosen werden in gemeinen und überholten Stereotypen präsentiert.” 

Vorab kann ich spoilern: PariserInnen sind nicht wie die in “Emily in Paris” dargestellten Menschen. Believe it or not: Sie sind wirklich nett, hilfsbereit und “adorable”.

Also lass uns einen genauen Blick auf die offensichtlichsten Klischees, die in dieser Serie dargestellt werden, werfen. On y va (dt. Auf geht’s).

1. The Chambre de Bonne – Emilys Wohnung

Emilys Pariser Wohnung wird in der Serie als eine “Chambre de Bonne” deklariert (Zimmermädchen-Zimmer). Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass sie definitiv NICHT in einer Chambre de Bonne untergekommen ist.

Als ich 2017 nach Paris zog, landete ich zuallererst in einer besagten Chambre de Bonne in Montmartre. Ursprünglich als Schlafzimmer für Hausangestellte der Familie gedacht, sind es es heute einfache, winzige Apartments bestehend aus nur einem Zimmer (6 bis 12 Quadratmetern). Sie bieten in der Regel minimale Einrichtungen: Eine kleine Küchenzeile neben der Dusche, dem Bett & dem Schrank. Die Toilette wird normalerweise mit den Nachbarzimmern geteilt und befinden sich im Flur (ich spreche aus Erfahrung). Diese Art von Apartment ist relativ preiswert und deshalb vor allem bei Studenten beliebt.

Zurück zu Emilys Wohnung: Das scheint mir eher ein schönes 40 Quadratmeter Apartment zu sein. Diese Art von Wohnung, am schicken Place de l’Estrapade gelegen und damit nur einen Steinwurf vom Panthéon entfernt, kostet dich mindestens 1.700 Euro pro Monat. Das ist alles, aber KEINE Chambre de Bonne!

2. Die Baskenmütze – Emilys liebstes Accessoire in Paris

Emily trägt eine Baskenmütze
© Courtesy Netflix

Lasst uns eines klarstellen: Wenn man in Paris (oder generell in Frankreich) ist, dann ist das Tragen einer Baskenmütze KEINE Pflicht. Mit einer Béret auf dem Kopf macht ihr es nicht den PariserInnen gleich, sondern den euphorisierten Touristen, die mit einem Selfiestick vor dem Eiffelturm Erinnerungsfotos schießen. Ringarde.

3. PariserInnen sind gemein – DAS Emily in Paris Klischee

Wie ich bereits in der Einleitung klargestellt habe, sind PariserInnen nicht wie die in “Emily in Paris” dargestellten Menschen. Ich gebe jedoch zu, dass sie den Ruf haben, unhöflich zu sein. Und das nicht nur international: Die französischen MitbürgerInnen werfen den PariserInnen nicht selten Arroganz vor. 

Aber auch das ist ein veraltetes Klischee.

Ich habe in den 3 Jahren in Paris schon viele Einheimische kennenlernen können & kann dir versichern: Sie sind liebenswert, hilfsbereit und unfassbar freundlich.

4. PariserInnen rauchen immer und überall

Wenn du schon in Paris warst, hast du garantiert eine stilvoll gekleidete Pariserin mit einem Café in der rechten Hand & einer Zigarette in der linken Hand auf der Terrasse eines Pariser Cafés sitzen sehen, oder? Ja, es stimmt, dass PariserInnen viel rauchen (wobei der Trend zurückgeht).

Sylvie raucht im Büro
© Courtesy Netflix

Dass Emilys Chefin, Sylvie Grateau, jedoch ihre Zigarette ohne schlechtes Gewissen im Büro raucht, ist reine Fiktion. Das ist rein gesetzlich seit 2006 verboten.

5. PariserInnen arbeiten erst ab 11 Uhr

Erinnerst du dich an diese “Emily in Paris” Szene: Emily begibt sich voller Tatendrang in aller Frühe zum Büro & findet dort wirklich Niemanden außer verschlossene Türen vor. Als 2 Stunden später die ersten Kollegen eintreffen, erfährt sie, dass in Paris niemand vor 10.30 Uhr mit der Arbeit beginnt.

Die Realität ist (natürlich) eine andere: Wie in jedem Land ist auch in Frankreich der Beginn der Arbeitszeit absolut jobspezifisch. Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass die Metros gegen 8.30 uhr und 9 Uhr am vollsten sind, da die meisten PariserInnen ihren Arbeitstag normalerweise zwischen 9 und 9:30 Uhr beginnen (und diesen dann gegen 19 Uhr beenden).

6. PariserInnen haben immer lange Mittagspausen

Emily in Paris, Emily und Mindy
© Courtesy Netflix

Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, woher dieses Klischee rührt. Während der Arbeitstage genießen PariserInnen nämlich nicht ein 2-stündiges Mittagsmahl. Stattdessen machen die Pariser normalerweise eine einstündige Mittagspause und diese ist auch Norm und unantastbar in ganz Frankreich. Es ist absolut typisch, dass PariserInnen sich mit ihren Kollegen in einer schönen Brasserie einen Happen zu Mittag gönnen.


7. Die Begrüßung mit La Bise

Links, rechts, Links: Faire la bise! Eine Umarmung zur Begrüßung ist zu viel, stattdessen ist der “Bussi” im französischen Begrüßungsritual institutionalisiert worden. Aber: Wem gibt man Küsschen? La Bise ist für Freunde, Familienmitglieder oder Kollegen, die man sehr gut kennt. Außerdem ist es normal, jemanden mit der Bise zu begrüßen, den man gerade erst vorgestellt wurde – bspw. die Freundin eines Freundes. 

Anders als bei “Emily in Paris” würde man jedoch NIEMALS vom Geschäftsführer des Unternehmens mit einem doppelten Wangenkuss begrüßt werden.

8. Outfits: Emily in Paris oder Emily beim Karneval?

Emily stöckelt in jeder Szene in einem anderen Paar High Heels & einem auffällig-schrillen Designer-Outfit durch Paris. Keine – wirklich GAR KEINE – Pariserin trägt in Realität solche Art von Looks. Emilys französische Freundin, Camille, verkörpert viel eher den französischen Stil: Mühelos, klassisch, lässig, cool.

Emily in Paris, 5
© Courtesy Netflix

In Paris muss man auf alles vorbereitet sein: Viel Treppen, die Metro, Fahrräder, viel Laufen. Deshalb müssen die Looks bequem, dabei aber auch stilvoll und elegant sein. Deshalb entscheidet sich wohl auch kaum eine Pariserin für High Heels. Stattdessen werden eher Schuh Klassiker wie Ballerinas, Sneaker, Loafer und Boots favorisiert.

Mehr zum französischen Stil und den Moderegeln findest du HIER!

9. Niemand verurteilt dich dafür, dass du nichts getan hast

Ja, es ist wahr! Und das ist auch eine der Gründe, wieso ich die Pariser Kultur so schätze. Der französischen Lebensstil (French Art-de-Vivre) steht für die Schönheit des Augenblicks. Es gibt keine Eile für irgendetwas. In “Emily in Paris” wurde das Lebensgefühl mit dem französisches Verb “flâner” (dt. spazieren) gut zusammengefasst.

Paris ist eine der schönsten Städte der Welt. Und dem sind sich die PariserInnen sehr wohl bewusst. Nicht selten schlendern sie ziellos durch die Straßen von Paris & entlang der Seine, um das außergewöhnliche Charisma der Stadt zu bewundern.


Fazit zu Emily in Paris:

Abschließend möchte ich auf die Frage “Darren Starr, Patricia Field, Paris & Mode – das muss doch GROßARTIG werden! Oder ist es doch zu viel des Guten?” eingehen: 

Ja, die Klischees in “Emily in Paris”  sind überspitzt. Ja, die Handlung ist alles andere als tiefgründig und anspruchsvoll. Und ja, Emilys Outfits sind over the top. Ist die Serie also ein Flop? 
Zu meiner Lieblingserie wird “Emily in Paris” garantiert nicht avancieren, aber ein Flop ist sie sicherlich nicht. Darren Starrs neueste Produktion ist süß und bringt mit den wunderschönen und wirklich großartigen Paris-Aufnahmen ein wenig Paris Vibes nach hause.

Emily in Paris, 6

Während viele Menschen aktuell nicht verreisen, kann man da ein bisschen drin schwelgen und sich vorstellen, wie man jeden Tag eine andere Handtasche spazieren trägt, obwohl man in Wirklichkeit nur noch zwischen zwei Jogginghosen wechselt.

Anke Weyher

Au Revoir & Bisous,

Signatur Franziska
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